Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 2. Anträge |
Antragsteller*in: | Hermann Kuhn (KV MÖV) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 26.10.2017, 15:19 |
A10: Den Gegnern der Republik mit den Mitteln der Republik begegnen!
Antragstext
Ein wesentliches und bedrückendes Ergebnis der Bundestagswahl ist der Einzug der
AfD als drittstärkste Kraft in den Deutschen Bundestag. Damit werden im
Bundestag Abgeordnete sitzen, die nationalkonservativ bis nationalistisch und
geschichtsrevisionistisch, bis völkisch und rechtsextrem sind. Sie alle sind
Gegner der Republik, insofern sie im Gegensatz zur Pluralität der
parlamentarischen Demokratie beanspruchen, „das Volk“ direkt zu vertreten.
Ein Kern dieser Abgeordneten und ihrer Wähler ist die rechtsextreme Strömung,
die es auch in Deutschland immer gegeben hat und die es auch früher in
unterschiedlichen Formationen in Landtage geschafft hat (in Bremen NPD,
Republikaner, DVU). Neu ist der Erfolg der AfD, weit darüber hinaus Wähler und
Wählerinnen (in kleinerer Zahl) gewinnen zu können. Nur eine von vielen
Ursachen, aber dann doch der entscheidende Treibstoff und Katalysator dafür war
die „Flüchtlingsfrage“.
Der Aufstieg der AfD ist Teil einer weithin in der westlichen Welt zu
beobachtenden Bewegung gegen den gegenwärtigen Modernisierungsschub:
Globalisierung, die schnellen Umwälzungen durch Digitalisierung; Welthandel,
offene Grenzen; Vielfalt der Religionen und überhaupt der Lebensstile; weltweite
Krisen und Migrationsbewegungen. Die Antwort der AfD ist das vergebliche und –
wenn versucht – sehr verlustreiche Projekt, die tatsächliche Verflechtung und
sehr komplexe gegenseitige Abhängigkeit der Gesellschaften in sich und
untereinander wieder zurückzudrehen, zu kappen und Sicherheit und Kontrolle
durch Abschottung „zurückzuholen“ (so Anti-Euro- und „Wir holen uns unser Land
zurück“-Slogans der AfD). Die Zumutungen der modernen individuellen
Selbstverantwortung sollen mit dem Rückzug auf „objektive“ kollektive
Identitäten (vor allem der nationalen) abgewehrt werden.
Sozio-ökonomisch ist die Wählerschaft der AfD im Großen und Ganzen ein
Spiegelbild der deutschen Gesellschaft, bei der letzten Wahl mit einem leichten
Zuwachs bei geringer Qualifizierten und Arbeitslosen. Der Sammelbegriff der
„Abgehängten“ trifft die Sache daher nicht. Es geht vielmehr um Menschen, die
sich bedroht fühlen und „am Rand“, an der „Peripherie“. An der Peripherie:
geographisch, sozial und kulturell.
An der Peripherie geographisch (was aber eben vor allem auch kulturell empfunden
wird): das erklärt einen Teil der AfD-Erfolge in den ostdeutschen Bundesländern.
Die soziale Randstellung und Unzufriedenheit kommt hier dazu, erklärt sicher
auch viele „Proteststimmen“. Wesentlich ist aber das Gefühl, kulturell „an den
Rand“ gedrängt zu werden: durch die Anforderungen an Mobilität und Flexibilität
(und die Befriedigung daran), die Auflösung fester Lebensformen, die Zumutungen
der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Vielfalt in „Gender, Race und
Diversity“; durch die damit verbundenen Sicherheits- und (Vor-)Machtverluste.
All diese Facetten hat die AfD in der „Flüchtlingsfrage“ zusammenführen können.
Wir stimmen mit den Auffassungen und Positionen der AfD in keinem Punkt überein,
wir werden sie weiter mit unseren starken Argumenten für die Demokratie, für die
Lehren aus der Geschichte und die Achtung der Menschenwürde politisch angreifen
und bekämpfen. Schubladen für Partei und ihre Wähler („Nazis“) sind dabei aber
nicht hilfreich, weil sie nicht differenzieren und dadurch einige eher erst in
diese Schublade treiben könnten. Auf die Parole „Wir sind das Volk“ können wir
nicht antworten: „Nein, wir sind es“.
Für diese Auseinandersetzung ist es wesentlich, dass wir zwischen falschen, aber
legitimen Auffassungen, und illegitimen, weil die Achtung der Menschenwürde
verletzenden, Auffassungen unterscheiden. Die letzteren müssen – auch mit den
Mitteln des Rechtsstaats – bekämpft und zurückgewiesen werden; in diesen Fragen
gilt auch der sonst richtige Grundsatz „mehr Streit unter den Parteien“ nicht.
Hier suchen wir vielmehr die Einheit „aller Demokraten“ bis zur CDU. Die
Existenz der AfD ist für sich allein keine Aufforderung für ein „breites linkes
Bündnis“. Wohl aber die Aufforderung zu verstärkten Anstrengungen für
politischer Bildung zur Demokratie, die lange vernachlässigt wurde.
In unseren Augen ganz falsche, aber legitime Auffassungen (zum Beispiel pro
Atomkraft, für eine „Obergrenze“ usw.) sind für die Debatte zugelassen und
müssen deshalb politisch bekämpft werden – wir dürfen sie nicht grundsätzlich
außerhalb des Konsenses stellen und schon dadurch als „erledigt“ ansehen. Das
bedeutet auch, dass wir uns nicht scheuen werden, reale gesellschaftliche
Probleme auch dann zu benennen, wenn die AfD sie ihrerseits zum demagogischen
Ausgangspunkt ihrer Politik macht. Das gilt auch für das Bedürfnis nach
Sicherheit und „Aufgehobenheit“.
Stehende Floskel ist inzwischen, man müsse nun „die Ängste der AfD-Wähler ernst
nehmen“. Unsere Antwort darauf ist: Wir wollen die Ängste aller Bürgerinnen und
Bürger ernst nehmen – auch die Ängste der Menschen, die als Flüchtlinge zu uns
kommen, der Opfer von Mietwucher und, und. Aber wir wollen die Ängste nicht
schüren und ausbeuten, sondern sie aufklären und wo möglich in einen Antrieb für
Lösungen verwandeln.
Unsere Auseinandersetzung mit der AfD (und ihren Umfeldorganisationen) Ist nicht
eine Auseinandersetzung zwischen „Links“ und „Rechts“, sondern eine
Auseinandersetzung zwischen Demokratie, Republik und Menschenrechten auf der
einen und anti-pluralistischen, anti-parlamentarischen und identitären, auf den
Ausschluss von Minderheiten von den Menschenrechten zielenden Ideologien und
Bewegungen.
Eine bessere Sozialpolitik zur Ermächtigung der BürgerInnen zur Teilhabe;
sozialer Ausgleich und Zusammenhalt der Gesellschaft sind Kernthemen der Grünen,
auch ganz ohne die AfD. Demokratische politische Kultur lässt sich jedoch nicht
mit höheren Staatsausgaben „kaufen“. Akzeptanz der Komplexität politischer
Entscheidungen, Vertrauen in Debattieren, Abwägen und Kompromissbildung, also
auch Respekt vor parlamentarischer Demokratie können wir nur durch gute
Anwendung dieser Mittel selbst verteidigen und zurück gewinnen. Die Schlüssel
sind Respekt und politischer Streit.
Unterstützer*innen
- Helga Trüpel (KV MÖV)
- Henrike Müller (KV MÖV)
- Kirsten Kappert-Gonther (KV Nordost)
- Daniel Buscher (KV MÖV)
- Linda Neddermann (KV Kreisfrei)
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